Suche auf unseren Seiten:

Startseite Unsere Gemeinde Arbeit mit der Bibel in unserer Gemeinde

 

Die Bibel - eine zuverlässige Quelle

 

Carsten Peter Thiede

 

Wer die Bibel liest, versteht eines sofort: Die Schriften, die hier gesammelt sind, wollen unser Leben verändern. Sie stellen einen hohen Anspruch.

 

Kritisch gefragt und geprüft wurde schon immer

Und so ist es eigentlich selbstverständlich, dass nicht erst heute die skeptischen Menschen der Moderne nach der Glaubwürdigkeit dieser Texte fragen. Kritisch gefragt und geprüft wurde schon immer. Ein Evangelium des Neuen Testaments ist sogar aus genau diesem Grund entstanden: Am Anfang des Lukas- Evangeliums lesen wir, dass ein hochrangiger Römer namens Theophilus bereit ist, Christ zu werden, wenn er genügend zuverlässige Informationen erhält. Und so schreibt Lukas für ihn, nachdem er selbst "alles von Anfang an sorgfältig erkundet" hat, damit er "den sicheren Grund" der Lehre erfährt (Lukas 1,3-4). Lukas will also wie ein Historiker schreiben, und nicht anders erwartet es Theophilus von ihm. Offensichtlich ist er mit dem Ergebnis zufrieden, denn er lässt sich später auch noch die Fortsetzung widmen, die Apostelgeschichte.

 

Wer also heute nach der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Überlieferung fragt, steht in einer alten Tradition. Die biblische Überlieferung ist seit zweitausend Jahren immer wieder geprüft worden, und sie hat diese Prüfung stets bestanden.

 

Unvergleichlich genaue Überlieferung

Gerade heute wissen wir dank der Entdeckungen aus der Archäologie und der Papyrologie mehr als je zuvor, wie unvergleichlich genau diese Überlieferung ist. So ist es im Grunde genommen gar nicht mehr nötig, die Bibel zu verteidigen. Die Sache sieht inzwischen umgekehrt aus: Verteidigen müssen sich diejenigen, die immer noch an dieser für die gesamte Antike einzigartigen Bezeugung zweifeln. Denn sie tun es gegen den Stand der Forschung. Die Fakten, die wir heute besitzen, stehen allgemein zur Verfügung. Geheimnisse gibt es da nicht.

 

Bleiben wir noch einen Augenblick bei Lukas. Da wir wissen, dass sein zweites Werk, die Apostelgeschichte, vor den Ereignissen der Jahre 62 - 67 n.Chr. endet, den Hinrichtungen der bedeutenden Apostel Jakobus, Petrus und Paulus, entstand sein erstes Werk, das Evangelium, noch einige Zeit früher. Das heißt, es wurde zu Lebzeiten von Augenzeugen geschrieben. Lukas konnte nicht nur schriftliche Quellen heranziehen, er konnte auch die Menschen befragen, die dabei waren. Für einen Historiker sind das ideale Voraussetzungen.

 

Man kann das mit einem heutigen Geschichtsschreiber vergleichen, der über den Zweiten Weltkrieg forscht. Seit seinem Ende sind fast sechzig Jahre vergangen, rund doppelt so viel, wie zwischen Lukas und den Jesus-Ereignissen lagen. Die meisten Augenzeugen sind gestorben oder uralt. Anders gesagt: Wer heute über den Zweiten Weltkrieg schreibt, hat es schwerer als damals Lukas, der natürlich auch noch auf viele ältere schriftliche Quellen zurückgreifen konnte. Die Evangelien des Markus und des Matthäus sind einige Jahre älter, und viele Forscher sind sich inzwischen sicher, dass auch das Johannes-Evangelium vor der Zerstörung Jerusalems und des Tempels 70 n.Chr. entstand. Von jedem dieser vier Evangelien sind Papyri erhalten, die nur wenige Jahrzehnte nach den Urschriften geschrieben wurden. Das ist völlig einzigartig.

 

Kein anderes literarisch-historisches Werk der gesamten Antike ist so früh und in so zahlreichen Abschriften erhalten wie das Neue Testament.

 

Zwei wichtige Erkenntnisse

Selbstverständlich ist das Alter der Texte und die herausragende Überlieferung noch kein alleinentscheidendes Argument für die historische Zuverlässigkeit. Daher sind zwei andere Erkenntnisse wichtig.

 

Die erste mag auf den ersten Blick erstaunlich klingen: Die vier historischen Erzählungen über Jesus, also die vier Evangelien, stimmen nicht in allen kleinsten Einzelheiten überein. Nicht alle Berichte, nicht alle Jesus-Worte stehen wörtlich identisch in allen vier Texten, nicht alle Personen tauchen überall irr gleicher Weise auf. Für Historiker ist gerade dies ein entscheidendes Argument: Niemand, auch nicht eine machtvolle frühe Kirche, hat diese Schriften manipuliert. Nichts ist nachträglich "harmonisiert" worden. Man wusste genau, dass unterschiedliche Menschen damals wie heute manche Details anders sehen und für ihre Leser (oder Hörer) mit anderen Schwerpunkten darstellen. Es ging ja immerhin nicht um Fehler des einen oder des anderen, sondern um die Perspektive. Um das deutlich zu machen, sind alle vier Evangelien, und nicht etwa nur eines, in die verbindliche Sammlung, den "Kanon", der siebenundzwanzig neutestamentlichen Schriften aufgenommen worden. Andere Religionen, Kulte und Glaubensformen, die sich nach dem Christentum entwickelten, leisteten sich diese Souveränität, die sich der Geschichtlichkeit und der Inspiration durch den Heiligen Geist verdankte, ?sicherheitshalber` lieber nicht. Der Islam zum Beispiel verbietet bis heute formell jede Erforschung der Textgestalt und Textüberlieferung des Koran, und nur eine einzige autoritative Textfassung in arabischer Sprache hat absolute Gültigkeit. Übersetzungen in andere Sprachen sind nicht verbindlich. Und so ist jedes offene Gespräch über den Glaubensinhalt des Islam nahezu unmöglich; ein Muslim kann sich immer darauf zurückziehen, dass das, was der christliche Gesprächspartner in einer Sure des Koran liest, dort so gar nicht steht oder jedenfalls etwas ganz anderes meint. Christen haben es in ihrer zweitausendjährigen Geschichte gelernt, dass ihre Grundtexte allgemein zugänglich und allgemein verständlich sein müssen. Die Fehler, die hier in der Kirchengeschichte begangen wurden, sind längst erkannt und korrigiert.

 

Und ein zweites Argument ist in letzter Zeit immer wichtiger geworden: Die historischen Aussagen lassen sich auch historisch überprüfen, mit den Mitteln anerkannter Wissenschaften. Was lange Zeit als fromme Legende galt, ist hingst als zuverlässig ermittelt. Selbst Dinge, die eigentlich kaum noch ein skeptischer Zeitgenosse für wahr halten wollte, wie z.B. der Stern von Bethlehem, gelten inzwischen als bis in das kleinste Detail zutreffend. Berufsastronomen und Mathematiker, die mit Computern und der technischen Ausrüstung ultramoderner Sternwarten arbeiten, haben den Text und seine Aussagen bestätigt. Mehr als einmal stellt sich mittlerweile heraus, dass nicht der Text in die Irre führt, sondern unsere eigene Vorstellung von dem was angeblich im Text steht. So kommen wir zum Ausgangspunkt zurück: Man muss nicht ständig und immer wieder die Bibel verteidigen, aber man muss die Fakten kennen - und das heißt zuerst: Man muss genau hinsehen, bescheiden, ohne fertige Thesen und Methoden. Wenn man so an die Schriften herangeht, braucht man sich vor offenen Fragen keine Sorgen zu machen. Nehmen wir dafür ein Beispiel: Historiker haben immer wieder erklärt, dass kein vernünftiger Zweifel am Ausgangspunkt des Ostergeschehens besteht. Das Grab Jesu war offen und leer, niemand, auch nicht die bestens ausgerüsteten Römer, konnten den Leichnam des von ihnen gekreuzigten Jesus von Nazareth wiederbeschaffen, und verängstigte Männer und Frauen, die zu diesem Zeitpunkt alles andere waren als überzeugte Anhänger dieses Gekreuzigten, berichteten unabhängig voneinander, ihm persönlich begegnet zu sein. Sogar zwei Gegner, nämlich Jakobus und später der Pharisäer und Christenverfolger Saulus, wurden durch Begegnungen zu leidenschaftlichen Anhängern. In einem Fall, dem Gang nach Emmaus, von dem Lukas erzählt, kann die heutige Archäologie den genauen Weg, die Uhrzeit und den Ort des Brotbrechens rekonstruieren.

 

Grenze aller Forschung

Nur eines können all diese Forschungen nicht: Sie können den Glauben an den auferstandenen Jesus nicht erzwingen, und sie können ihn nicht ersetzen. Es bleibt also ein entscheidender Rest: Glaubwürdig sind die Texte; doch den Schritt zum Glauben können die Textforscher keinem Leser abnehmen. Und noch eines ist wichtig: Um zu wissen, wovon wir sprechen, sollten wir diese Schriften nicht nur in Bruchstücken und ausgewählten Abschnitten lesen, sondern vollständig von Anfang bis Ende. Wer da beispielsweise mit dem Markus- Evangelium beginnt, wird schnell merken, dass dies keine zwei Stunden dauert: Weniger als ein Spielfilm, weniger als manche Zugfahrt. ?

 

Zurück zu den Quellen: Ein altes Motto, das uns schnell und direkt zum Kern der Glaubwürdigkeit führt.

 

Carsten Peter Thiede war Professor für Umwelt und Zeitgeschichte des Neuen Testaments an der STH Basel;

er leitet die lasergestützte Schadensanalyse der Schriftrollen vom Toten Meer in Jerusalem.

 

           

 

      

 

 

 

 

   

 

Stand: 19. Februar 2020

 

Fragen/Kommentaren: